Trondheim - Bergen
Trondheim – Kristiansand – Molde – Andalsnes – Trollstiegen – Geiranger – Stryn – Førde – Bergen
Trondheim entlässt mich bei angenehmstem Sonnenschein Richtung Süden. Orkanger erreicht man über die neu errichtete Autobahn zügig und mit prächtiger Aussicht aufs Land und den gleichnamigen Fjord. Von Orkanger aus geht’s hinauf auf eine karge Hochebene mit gelichtetem Fichtenbestand. Die Strasse ist einfach perfekt, es lässt sich so herrlich cruisen. Es herrscht kaum Verkehr.
Bei Søyla verabschiedet sich die Sonne. Einige Zeit später beginnt es zu regnen. Dennoch, die Landschaft ist auch hier sehenswert. Nach Rendal führen mehrere Brücken im Zickzack über einen Fjord.
In Hals wartet die Fähre bereits. Bei der Überfahrt werde ich von einer Dame in Berndeutsch angesprochen, sie vermutet, ich sei derjenige mit dem Bike. Sie und ihr Freund seien auf Schwedentour und hätten gestern einen kleinen Abstecher nach Mo I Rana gemacht. Nun sind sie von Norwegen so begeistert, dass sie den Rückweg der Küste entlang nehmen werden. Vor Kristiansund passiert man wieder einen der über 6 km langen Tunnel unter dem Kvernesfjorden. Das Regenzeug kann wieder verstaut werden, es bleibt aber trüb und recht windig. Kristiansund liegt an einer Bucht. Wie in vielen Städten gibt es auch hier Baustellen in grosser Zahl und damit schleppender Verkehr. Leider kein einladendes Szenario für einen längeren Halt. Schon bald geht es mit der Fähre weiter nach Bremsnes. Der Wind bläst die Plastikstühle übers Deck! Die harten Vikinger im T-Shirt harren tapfer aus, verschwinden dann aber bald unter Deck! Am Ende der Insel Averøya wird es erst recht spannend. Hier beginnt die sogenannte Atlantikroute, eine phänomenal gut ausgebaute, kurvenreiche Strasse. Praktisch auf Meereshöhe, links und rechts Wasser, bei raschem Wechsel von Sonne und bedrohlich schwarzen Wolken. Ich nehme den Weg nach Molde.
Für norwegische Verhältnisse herrscht hier ein geradezu mondänes Ambiente. Viele feine Läden, gut gekleidete Menschen und viel Betrieb auf den Strassen. Am Wasser ein riesiges Hotel und daneben ein eben- solches Sportstadion. Molde ist bekannt als Mekka des norwegischen Jazz.
Am Yachthafen, ausserhalb der Stadt, bietet sich ein guter Platz für das Mittagspicknick. Die Sonne schaut zu. Da sitzen sie schon wieder, die Männer mit nackter Brust. Diesmal ist’s keine Heldentat mehr, denn es ist wieder recht warm geworden.
Weiter geht’s Richtung Andalsnes. Wieder ein Fjordtunnel. Wieder eine kleine Unstimmigkeit mit der Karte. Eigentlich sollte die Fährstation von Sølsnes bereits erreicht sein. Tut sie aber nicht. Ja, ich sei schon auf dem rechten Weg, nur weiterfahren. Der Fremdenführer hatte recht.
Beim Warten schliesst eine BMW RT auf. Sie und er, Engländer aus dem Norden. Sie sind von Bergen ans Nordkap gefahren und befinden sich jetzt auf dem Rückweg. Sie nächtigten auch in Å, waren aber enttäuscht, weil sich ihre Unterkunft – das Wandererheim – als eine lärmige Bruchbude herausgestellt habe. Zu recht tippten sie bei meiner Unterkunft auf das Seaside-Hotel. Das hätte ihnen auch gefallen. Wir fahren zusammen nach Andalsnes.
Sie haben genug von Unterkünften im Stile der Wandererheime und wollen heute ein Hotel buchen. Ich bleibe dabei und finde im zweiten Anlauf das Heim. Wie das Zimmer bezogen ist und ich mich auf den Weg ins Dorf zum Essen begebe, fahren sie in den Hof ein. Ein frohes Wiedersehen! Mit Hotel war nichts. Andalsnes befindet sich im Zwischensaisonschlaf.
Die Läden bieten schöne Auslagen; ein netter Ausflugshafen und einige Restaurants runden das Bild ab. Bis auf ein Lokal aber sind alle übrigen geschlossen.
Andalsnes gilt als Ausgangspunkt zu den berühmten Trollstigen, eine Passstrasse, die an Wild- und Steilheit in Europa seinesgleichen sucht.
Beim Frühstück tauchen die Beiden auf. Sie fahren heute via den Trollstigen noch nach Bergen, weil sie morgen unbedingt die Fähre nach Newcastle erreichen müssen! Die noch vor ihnen liegende Strecke (schlappe 444 km, 7h 58′, über den Daumen gepeilt: Fahrzeit mind. 10 h rauf und runter 3 x Fähre) scheint sie weiter nicht zu beeindrucken. Sie seien oft mit dem Motorrad im Norden unterwegs.
Nach dem Auftanken geht’s munter ab zum Trollstigen. Schon tauchen beidseits der Strasse die Trolls in allen Formen und Grössen auf. Links der Strasse rauscht ein gewaltiger Bach von den Felsen. Das Wasser schimmert grünblau, wie aus dem Prospekt. Schon um neun hat sich ein beachtlicher Touristenstrom gebildet. Nach kurzer Anfahrt beginnt der Aufstieg durch die Serpentinen. Auf beiden Seiten riesige Wasserfälle, sie stäuben zeitweilig bis auf die Strasse. Oben angelangt laden Souvenirläden und Restaurants zum Verweilen. Ein kleiner Fussweg führt zu einer Aussichtskanzel mit Blick ins Tal, auf die Passstrasse und die hohen Berge, hinter denen der Geirangerfjord liegt.
Zurück auf dem Motorrad: die Lenkung lässt sich plötzlich nur schwer bewegen. Das muss am Reifen liegen, er hat eindeutig Luft verloren. Ein Metallsplitter hat sich durch den harten Gummi gebohrt. Was tun? Der Reifen braucht Druckluft! Nebenan parken blonde Recken ihre Safari Landrover. Die müssen gut ausgerüstet sein. Richtig, und nicht nur einen Kompressor an Bord, sondern, nachdem das eigene Reparaturset keinen Erfolg bringt, die definitive Lösung in Form einer Druckdose mit weisser Kautschuklösung. Ohne weiteren Aufenthalt, nur mit voller Konzentration auf das Verhalten des Reifens, geht die Fahrt ins Tal, zur nächsten Tankstelle in Valldal. Hier kann ich den inzwischen schon wieder abgefallenen Reifendruck auf den vorgeschriebenen Wert bringen. Immerhin sind mir die Erdbeerenfelder in Grønning und der wilde Wasserfall bei der Gudbrands Bru nicht entgangen.
In Valldal warte ich, wie vereinbart, auf die Helfer, um ihnen zu berichten, dass alles in Ordnung sei. Vergebens, sie kommen nicht. Da die Fahrt nach Geiranger nun endlich weitergehen soll – es ist inzwischen 15.30 Uhr – erfahre ich von einem Fährmann, dass Valldal nicht der Fährhafen für Eidsdal sei, sondern der im Nachbardorf Linge (auf der Karte ist die Fährverbindung von Valldal aus eingetragen!). Nichts wie weg. Die Fähre ist im Begriff abzulegen. Wieder einmal Glück gehabt! Von Eidsdal führt die Strasse steil hinauf, auf der Höhe dann durch ein recht schmales Tal, um am Ende den Blick auf den Geirangerfjord, tief unten, freizugeben. Ein atemberaubendes Bild! Es herrscht ein munteres Treiben an Fahrzeugen aller Art.
In Geiranger herrscht ein Gewimmel an Leuten und Autos. Da sind auch die hilfsbereiten Kollegen, die bei der Fähre warten. Ich statte nochmals meinen Dank ab (entrichte einen kleinen Zustupf in die Bordkasse) und ab geht’s durch den Fjord. Eine Stimme aus dem Lautsprecher weist auf die Sehenswürdigkeiten hin. Wirklich eindrücklich, diese Wasserfälle (seven Sisters) und die kleinen Bauernhöfe, die sich auf beiden Seiten an die Felsbänder und an die kleinen Schutthalden über dem Wasser klammern. Aprikosen sollen hier sogar geerntet worden sein, 70 kg auf ein Mal.
Wir erreichen Hellesylt, ein kleines Dorf das am Ende des Fjordes auf der Schattenseite des steil ansteigenden Berges klebt. Es ist eigentlich als Endstation für heute gedacht. Aber die 50 km nach Stryn doch noch zu packen, hat sich nachträglich gesehen gelohnt.
Auch hier bietet sich eine sehr reizvolle Strecke für Natur- und Kurvenliebhaber.
Die Wolken haben sich nun etwas verzogen und lassen die Sonne durch. Der Tag findet damit doch noch einen versöhnlichen Abschluss.
Das Rad hat gehalten.
Der Tag beginnt mit Regen.
Der Reifen hat über Nacht Luft verloren. Leider hat sich die Flüssigkeit nicht wie versprochen mit dem Reifen verbunden. An der Tankstelle im Dorf gibt’s Druckluft. Da erstehe ich noch eine Druckdose mit weissem Kautschuk für alle Fälle!
Die Route folgt nach Osten, entlang dem Utfjorden. Eine ausnehmend schöne Fahrt nahe am Wasser durch unberührte Natur. Nach Utvik beginnt eine starke Steigung, der Wald ändert in wildes Gestrüpp. Ganz anders auf der Südseite: weiter Blick ins Tal von Byrkjelo, mit grünen Wiesen wie in einem Park. Die Sonne ist wieder da.
An der nächsten Tankstelle wieder Pneudruckkontrolle. Leider schon wieder Druckverlust. Das kann ja heiter werden!
Bei Skel setzt der Regen wieder ein, er kann dem Reiz der Landschaft nichts anhaben, besonders nicht dem Jølstravatne entlang. Der Reifen will schon wieder nicht mehr. In Vassenden heisst es nochmals pumpen. Zwei km später ist definitiv Schluss. Nach einer Verschnaufpause heisst es die Druckdose ansetzen. Jetzt nichts wie los in die nächste Ortschaft zum Reifenwechsel. In Førde gibt es sogar zwei Motorradwerkstätten. Da liegt zufälligerweise ein passender Reifen im Regal. Der Mechaniker zeigt keine Emotionen, keine Anteilnahme. Ich müsse eine Stunde warten.
Wie hiess es doch im Gästebuch in Stryn: „Norwegen hält viele Überraschungen für einen bereit, die Norweger selbst aber keine.“ Trotzdem, es wurde gute Arbeit geleistet.
Es regnet stark. Ein Passant meint, das gute Wetter komme schon wieder. Auf die Frage wann denn, meint er, morgen. Ein gelungener Scherz.
Noch 150 km bis Bergen! Wieder eine perfekte Motorradstrecke. Nach Førde geht es zügig in die Höhe. Die Schafe weiden ungerührt. Ein Muttertier mit Lamm läuft vor mir her, ich nehme Tempo weg. Plötzlich beginnt die Mutter zu rennen, unvermittelt schwenkt sie auf die andere Strassenseite. Ein aus einem Tunnel entgegenkommendes Auto kann nicht mehr bremsen und rammt das Junge. Es wird hart an die Leitplanke geschleudert, fällt hin, steht aber sofort wieder auf und verschwindet mit der Mutter im Wald. Eine ungemütliche Geschichte!
Die Fähre bei Lavik setzt gleich über. Dann folgt erneut ein Aufstieg. Auf der Höhe fällt noch stärkerer Regen, die Wolken hängen tief. Für Meteorologen ein unbezahlbarer Anschauungsunterricht. Bei Knarvik dann eine gewaltige Brücke. Sie passieren kostet ausnahmsweise eine Gebühr.
Wieder tolle Wolkengebilde. Noch 20 km bis Bergen. Ein Unfall, km-langer Stau. Gut bin ich mit dem Motorrad unterwegs, es geht zügig an der wartenden Kolonne vorbei. Vor Bergen geht’s noch durch einige Tunnel, es regnet noch stärker.
In Bergen angekommen giesst es wie aus Kübeln. Ein Vollwaschgang allererster Güte! Die Orientierung gestaltet sich relativ schwierig. Der Feierabendverkehr bietet kaum Möglichkeiten zum Anhalten. Beim Touristbüro kann ich wählen zwischen einem Dorm mit 18 Betten oder einer Unterkunft 10 km ausserhalb. Vielen Dank! Das ist jetzt das Letzte, das mir ein Arzt verschreiben würde. Da entdecke ich im Zentrum eine Hotelreklame zwischen den Bäumen; nichts wie hin, Fussgängerzone hin oder her. Zu Fuss geht es später entlang den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Der Hafen, ein Imbisstand bietet grosse Portionen Fish und Chips an, das Brygge-Quartier, eine echte Überraschung. Um 22 Uhr ist es noch taghell. Die Strassen sind voll von Menschen, eine Strassenband spielt.































































































































































































































































